Kriegsgefangene
Unentbehrliche Arbeitskräfte für Industrie und Landwirtschaft
Während des Ersten Weltkriegs gerieten 6,6 bis acht Millionen Soldaten aller kriegsführenden Länder in Gefangenschaft. Die meisten dieser Soldaten blieben mehrere Jahre in ausländischem Gewahrsam; bei in Deutschland internierten russischen Soldaten reichte die Gefangenschaft auch weit über das Kriegsende hinaus. Bis 1918 befanden sich im Deutschen Kaiserreich ca. 2,4 Millionen Gefangene aus 13 Staaten.
Besonders in den ersten beiden Kriegsjahren gelangten Soldaten – der überwiegende Teil unfreiwillig – in Feindeshand. Die Behandlung durch Militärbehörden, die Unterbringung in Lagern, die Nahrungsmittelversorgung sowie die Heranziehung zu Arbeiten von Kriegsgefangenen ist durch die Genfer Konventionen zum Schutz verwundeter und kranker Soldaten sowie des Sanitätspersonals (1864/1906) sowie durch die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung (1899/1907) völkerrechtlich festgelegt. Da es jedoch keine übergeordnete Kontrollinstitution gab, wurden diese Regelungen von kriegführenden Ländern weder einheitlich umgesetzt noch wurden Vergehen dagegen geahndet.
Die Todesrate der in deutschen Gefangenenlagern Internierten wird auf 3 bis 6,5 Prozent geschätzt. Häufigste Todesursachen waren Krankheiten wie Fleckfieber, Tuberkulose und Ruhr, deren Ausbruch auf sehr schlechte hygienische Bedingungen sowie unzureichender medizinischer Versorgung in den Lagern zurückzuführen ist. Auch die Mangelernährung der Gefangenen begünstigte den Ausbruch der Krankheiten.
Im Deutschen Kaiserreich wurden Kriegsgefangene je nach militärischem Dienstgrad in Offizierslagern (z.B. in Friedberg, Mainz, Frankfurt/Main und Weilburg) und Mannschaftslagern (z.B. in Kassel-Niederzwehren, Gießen, Wetzlar, Limburg/Lahn und Darmstadt-Grießheim) untergebracht. Neben den großen Hauptlagern gab es zahlreiche kleinere Arbeitslager, die nahe der jeweiligen Arbeitsorte entstanden. Ausländische Internierte – sowohl Militär als auch Zivilisten – wurden zu körperlich schweren Arbeiten in Industrie und Landwirtschaft, in Front- und Etappengebieten oder zu anderen Tätigkeiten in den meisten kriegführenden Ländern herangezogen. Gefangengenommene Offiziere waren von jeglichen Arbeiten ausgenommen.
Regionalzeitungen informierten regelmäßig über die genaue Anzahl der in den aktuellen Kriegshandlungen gefangen genommenen ausländischen Soldaten sowie deren Ankunft in lokal ansässigen Kriegsgefangenenlagern. Anhand dieser Presseberichte sollte der einheimischen Bevölkerung gezeigt werden, wie erfolgreich das deutsche Militär aus bestimmten Schlachten hervorgegangen sei. Hessische Zeitungen berichteten zudem über die Ausstattung und Organisation von Gefangenenlagern und deren Insassen sowie über Kontakte zur deutschen Bevölkerung. In der Presse wurde die Verteilung von sogenannten Liebesgaben an Kriegsgefangene in den ersten beiden Kriegsjahren und der Sonntagsspaziergang zum lokalen Gefangenenlager durch Einheimische genauso heftig verurteilt wie Hilfeleistungen bei Fluchtversuchen sowie Liebesbeziehungen deutscher Frauen zu Kriegsgefangenen.
Während der gesamten Kriegszeit wurde in der Presse ausführlich beschrieben, wie die deutschen Soldaten in ausländischer Gefangenschaft behandelt wurden. Verglichen wird in diesen Berichten oft die vermeintlich bessere Fürsorge, Unterbringung und Versorgung von ausländischen Kriegsgefangenen im Deutschen Kaiserreich gegenüber deutschen Kriegsgefangenen, die in Gefangenenlagern der Alliierten interniert wurden. Auch dies sollte das positive Selbstbild des Deutschen Reiches gegenüber den verfeindeten Nationen Großbritannien, Frankreich und Russland in Bezug auf die Gefangenenbehandlung für die deutsche Leserschaft aufzeigen.
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